Gönn dir eine Pause vom Alltag
Namasté
Hier eine buddhistische Geschichte für die Yogaleicht-Pause 🙂
Was Weisheit ist
Als Student verbrachte ich den grössten Teil meiner Ferien in den Highlands von Schottland. Ich wanderte, zeltete und genoss die Ruhe, die Schönheit und den Frieden der zauberhaften schottischen Berglandschaft.
An einem denkwürdigen Nachmittag schlenderte ich eine schmale Strasse am Meer entlang. Die Strasse wand sich über eine felsige Landzunge und führte zu den schmalen Buchten im fernen Norden. Sonnenstrahlen tauchten die ausserordentliche Schönheit der Landschaft um mich herum in ein besonders warmes Licht. Das samtige, frische Grün der Wiesen leuchtete, die Klippen wirkten wie gemeisselte Kathedralen, die sich hoch über das sprudelnde Meer erhoben, in dessen blaue Farbe kurz vor Sonnenuntergang leuchtende Lichterketten eingewoben waren. Die kleinen grünen und braunen Felseninseln schienen bis zum Horizont auf den Wellen zu reiten. Sogar die Möwen und Seeschwalben kreisten und glitten durch die Luft, als ob auch sie den Zauber der Stunde genossen. An diesem sonnigen Tag zeigte sich die Natur in einer der malerischsten Landschaften unserer Welt von ihrer besten Seite.
Trotz meines schweren Rucksacks hüpfte ich vor Begeisterung die Strasse entlang. Ich war wunschlos glücklich, hatte keine Sorgen und fühlte mich von der Schöpfung verwöhnt und inspiriert.
Vor mir sah ich ein kleines Auto, das am Wegrand neben der Klippe angehalten hatte. Natürlich stellte ich mir vor, dass auch der Fahrer des Wagens so von der Schönheit des Tages überwältigt war, dass er angehalten hatte, um diesen Augenblick bis zur Neige auszukosten.
Als ich mich dem Wagen soweit genähert hatte, dass ich durch die Rückscheibe sehen konnte, war ich enttäuscht und bestürzt. Der einzige Insasse dieses Wagens, ein Mann mittleren Alters, las eine Zeitung. Das Blatt war so gross, dass es den ganzen Blick auf die Welt um ihn herum blockierte. Also sah der Mann anstatt Meer, Inseln, Klippen, Himmel und Wiesen nur Kriege, Politik, Skandale und Sport. Die Zeitung war zwar sehr gross, hatte aber hauchdünne Seiten. Nur ein paar Millimeter jenseits der hässlichen Druckerschwärze breitete sich die regenbogenfarbige Hochstimmung der Natur aus.
Mir kam der Gedanke, eine Schere aus meinem Rucksack zu ziehen und dem Mann ein kleines Loch in die Zeitung zu schnippeln, damit er eine Ahnung davon erhielt, was er verpasste, während er sich mit den Börsennachrichten abgab. Aber er war ein äusserst kräftig gebauter Schotte und ich ein magerer, unterernährter Student. Also liess ich ihn die Nachrichten der Welt verschlingen, während ich in sie hineintanzte.
Unser Geist beschäftigt sich den meisten Teil der Zeit mit dem Stoff, aus dem die Zeitungen gemacht werden: Beziehungskrisen, Innenpolitik im familiären und beruflichen Bereich, persönliche Skandale, die uns entsetzlich aufregen, und die sportliche Betätigung im Bett. Wenn es uns nicht gelingt, diese «innere Zeitung» gelegentlich wegzulegen, wenn wir von ihren Nachrichten so besessen sind, dass wir uns um nichts anderes mehr kümmern – ja dann wird uns die unverdorbene Freude und die Stille der Natur in ihrer schönsten Form verborgen bleiben. Dann werden wir nie weise werden.
Quellenangabe: Eine buddhistische Geschichte aus dem Buch «Die Kuh, die weinte» von Ajahn Brahm
Von Herzen wünsche ich dir viele freudvolle Momente in der Natur und ich freue mich wieder auf das gemeinsame Yoga üben.
Herzliche Yogaleicht-Grüsse
Corinne